Sage Die Fahrt in der Matthiasnacht

Spannende, uralte Sage aus unserer Region GANGELT -SELFKANT
erzählt von T.Rütten - Höngen
veröffentlicht bzw. abgedruckt im Heimatkalender 1925 -

Es gab eine Zeit – vielen von uns vielleicht noch von den Erzählungen unserer Großeltern bekannt -, dass ein Landarzt seine Patienten in weitem Umkreis seiner Praxis betreute und besuchte.
Dr. Baumgarten, sesshaft in Gangelt, war es, der also damals zuständig für die Gesundheit vieler Familien - von jung bis alt - verantwortlich zeichnete, weit bis in den SELFKANT hinein. Die Menschen schätzten und vertrauten ihm.

Eines Nachts schepperte es an seinen Fenstern und eine Stimme rief in tiefer Nacht: "In der Mühle im Selfkant ist es soweit…“.
Dr.Baumgarten reagierte sofort, rief seinen Kutscher, um das Pferd anzuspannen: „Andres ,spann’ das Pferd an, wir müssen über Land - es eilt !“ „Aber Herr Doktor -doch heute nicht - es ist doch Mathiasnacht - die Gespenster sind unterwegs!“ „Dann fahr’ ich alleine –und jetzt schnell!“ - antwortete Dr. Baumgarten. Er kannte die Geschichten, die immer erzählt wurden und hatte keine Angst vor Geistern. Er fuhr alleine los. Andres hatte ihm zur Vorsicht ein Beil unter der Sitzdecke versteckt; die Nacht war stockfinster, nur Eulen und Käuze waren zu hören. Er wusste: Die Geister waren plötzlich da, wenn laut die Dachpfannen und Fensterläden rappelten.
Ein Bauer aus Wehrhagen hatte einen schweren Sack mit sieben weissen Hasen gefunden, die alles rundum abfraßen - ein Bauer in Saeffelen eine rote Kugel, aus der sieben schwarze Katzen mit glühenden Augen gesprungen waren - und so weiter….

Richtung Selfkant kannte sein Pferd den Weg und die Waldstrecke - ruhig lief es dahin - bis es plötzlich zitterte und scheute.
„Was ist das, ist da jemand aufgesprungen?“ murmelte Dr.Baumgarten. Tatsächlich fühlte er sich jetzt bedrängt, griff nach dem Beil unter der Decke und schlug zu. Es wurde ruhig - und unheimlich zog das Pferd den Waldweg entlang - bis zum alten Bauernhof.
Dort schien niemand auf ihn zu warten, bis doch plötzlich eine Frauenstimme erbärmlich um Hilfe rief. Er wurde also doch gebraucht: Mutter und Kind kämpften um’s Überleben - das Neugeborene brauchte seine volle Unterstützung - die Mutter aber, fand er später mit angstvollem, entsetztem Gesichtsausdruck - eingeschlafen und leblos auf ihrem Bett. „Was war passiert, hatte er sich nicht genug gekümmert?“
Dieser Vorwurf begleitete und belastete ihn noch viele Monate. Diese Nacht würde er sowieso nie vergessen.

Zu Hause angekommen, entdeckte er in seiner Wagendecke vier Menschenfinger. Entsetzt, mit seinen Gedanken an das Beil, konnte er diese gerade noch in ein Taschentuch einwickeln und auf dem Friedhof vergraben. Niemand durfte davon erfahren.
Die Ereignisse dieser Nacht wollte er nur noch verdrängen, doch viele Jahre später wurde er dennoch an diese Mathiasnacht erinnert: Im ersten Weltkrieg - sein Sohn war auch Arzt geworden - und schrieb dem betagten Vater aus Rumänien, wo er eine uralte Zigeunerin getroffen habe, die ihn sofort erkannt hätte - sogar seinen Namen wußte.
Sie zeigte ihm dann ihre Hand und behauptete, die fehlenden Finger lägen in Gangelt am Selfkant auf dem Friedhof begraben!

(Spannende, uralte Sage aus unserer Region GANGELT -SELFKANT - erzählt von T.Rütten - Höngen)
veröffentlicht bzw. abgedruckt im Heimatkalender 1925 - darin habe ich diese herrliche Sage gefunden.

(C) 2023 Monika Tholen, Gangelt