Rettet Gangelt

Es war im Jahr 1542 - die GANGELTER feierten Martinus-Kirmes:
Sie tranken ihr „GANGELTER BIER“ in vollen Zügen und tanzten die ganze Nacht hindurch.
Die Stadtwächter feierten mit und hatten zu später Stunde das Stadttor nur unvorsichtig geschlossen, und zwar nicht mit dem Pflock (als Penn) den Riegel gesichert, sondern nur mit einer großen Möhre. Das war äußerst leichtsinnig.

„ALFONS“ - ein alter Knecht, der immer treu seinem Herrn in der Landwirtschaft gedient hatte, war so gerade vor Dunkelheit heimlich über die Stadtmauer geklettert, um sich für 24 Stunden frei im GANGELTER „Freibezirk“ zu bewegen.
Dazu müsst ihr wissen: Weil er nur das Essen und seine Unterkunft von seinem Herrn als Lohn erhielt, hatte er, um an eigenes Geld zu kommen, in der Nähe der Burg wertvolle Blumenkübel gestohlen und weiterverkauft. Jemand hatte ihn aber dabei beobachtet und verraten.
Er wurde bestraft: Für diesen Diebstahl reichte aber der Schandpfahl als Buße nicht aus - nein, er war vom offenen Gericht verurteilt worden und musste GANGELT verlassen.
(Im Mittelalter zu Ritterzeiten war es in GANGELT Brauch (lt. früherem Gerichtsurteil) 1-mal ungesehen über die Stadtmauer >für 24 Stunden frei, 2-mal ungesehen über die Stadtmauer >für 48 Stunden frei. Beim3. Mal hatte man seine Freiheit zurück.
Jetzt irrte ALFONS, der verurteilte Dieb, in der Dämmerung durch GANGELT und musste sich noch verstecken. WOLLT IHR IHN BEGLEITEN AUF SEINER ABENTEUER-TOUR? Na, dann los!

Zuerst versteckte ALFONS sich in den Büschen rundum die Burg. Es brannten draußen am Burgweiher nur wenige Pechfackeln. Laternen gab es kaum.
Da schlägt die Kirchturm-Uhr schon 8 Uhr - der Nachtwächter „Nonk Helmes“ zieht seine Runde mit Laterne und Hellebarde - rundum die Kirche über den Friedhof. „VORSICHT ALFONS, er darf dich nicht erwischen, sonst sperrt er dich noch in die Gefängniszelle im Heinsberger Tor!“ sagt ihm seine innere Stimme. ALFONS zittert - „oh, so gerade nochmal gut gegangen - nicht erwischt worden!“, denkt er.
Heimlich schleicht er weiter um die Kirche herum - in den Freibezirk.

Hier war er vor allen Leuten verurteilt worden. ALFONS sieht den großen Löwen auf dem Podest - gewaltig und stark wirkt er da oben.
„Nur nicht aufhalten lassen, ALFONS - weiter - rechts an der Kirche vorbei am Stein mit dem guten Hirten und seinen Schafen - zum alten Posthalter-Haus mit den kleinen Fenstern und Türen - und
dann zum Durchgang: Hier sieht man heute zugemauerte Fenster - mit Blick auf den Markt.“

Auf dem Marktplatz wird ausgelassen gefeiert – „VORSICHT ALFONS !!“ - Aus allen Wirtshäusern klingt laute Musik. Ach, wie gern würde er jetzt auch ein GANGELTER BIER mittrinken und fröhlich sein, so wie immer. Aber stattdessen muss er zwischen Nacht und Nebel durch die Straßen huschen >zur Conzen-Gasse (heute: Synagogen-Gasse), um am Ende hinüber zum Schützengraben zu gelangen. Und all’ seine Freunde feiern Kirmes - ohne ihn!

Da hört er auch schon den Nachtwächter in sein Horn blasen: 10-mal - und er ruft dazu:
„HÖRT IHR LEUT ‘UND LASST EUCH SAGEN, UNSERE UHR HAT 10 GESCHLAGEN - HABT ACHT AUF FEUER UND LICHT, DAMIT UNSERER STADT KEIN LEID GESCHIEHT!!“ So klang es immer, wenn er rief. „Jetzt aber schnell weiter, ALFONS!“
Es war stockfinster. Nur wenige Fackeln und Laternen leuchteten den Weg aus. ALFONS musste noch im Dunkeln durch die dichte Weißdorn-Hecke steigen. Die Dornen, wusste er, durften ihn nicht stechen, denn daran hing ein alter Zauber, der auch die Feinde abschrecken sollte. Also, äußerste Vorsicht war geboten! Ganz behutsam schaffte er auch dieses Hindernis - „Super ALFONS - gut gemacht!“
Stadtmauer, Schießturm, Wassergraben - auch all das sollte vor Feinden schützen. Aber ALFONS hatte abends Truppen von Soldaten - am Friedenskreuz - vor dem Heinsberger Tor gesehen. Ob die wohl einen Überfall planten? Deshalb wollte er hierher nochmal zurück. Und tatsächlich erkannte er die „KAISERLICHEN“, die hier auf der Lauer lagen. Auf jeden Fall schien Gefahr im Anzug! - Ob das Kreuz auch wohl diesmal helfen würde?

Er war wohl der Einzige, der von all’ dem wusste; deshalb lief er nochmals heimlich zum Stadttor und sah tatsächlich einen großen Gänserich, der die dicke Möhre am Torriegel abfressen wollte.
Schnell schnappte ALFONS eine Riesen-Möhre als Ersatz, die er auf einem großen Berg von aufgeschütteten Möhren am Tor gefunden hatte, verscheuchte mutig die gefräßige GANS und erneuerte den Pflock durch die neue Möhre, ohne dass die Stadtwächter es merkten.
ALFONS WAR MÄCHTIG STOLZ AUF SICH! „GÄNSESTADT“ wurde Gangelt früher genannt.
Aber er war schneller. Nur so konnte er vielleicht GANGELT vor den Feinden retten. Ist es ihm wirklich gelungen?
Und wurde er dafür mit seiner Freiheit belohnt? WAS GLAUBT IHR?

(freie Erzählung von Stadtführerin MONIKA THOLEN – gewidmet ihren Enkeln Michal und Carla) JUNI 2021

(C) 2023 Monika Tholen, Gangelt